Cit:Norberg-Schulz1982: Unterschied zwischen den Versionen
Theres (Diskussion | Beiträge) Die Seite wurde neu angelegt: „Norberg-Schulz entwickelt das Konzept des „Genius Loci“ – den „Geist des Ortes“ – als Schlüssel zur Architektur. Architektur, so seine These, soll den Menschen helfen, sich in der Welt zu beheimaten. Sie soll Orte schaffen oder bewahren, an denen Menschen ihre Existenz räumlich erfahren und verorten können. Er bezieht sich dabei auf die phänomenologische Philosophie (besonders Martin Heidegger und dessen Begriff des „Wohnens“), um Arc…“ |
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Rezension von Eduard Führ | |||
gedruckt Zeitschrift Wolkenkuckucksheim, Heft 2, Jahrgang 3, Juni 1998 (https://www.cloud-cuckoo.net/openarchive/wolke/deu/Themen/982/Fuehr/fuehr_t.html) | |||
Heideggers Vortrag ‚Bauen Wohnen Denken‘ (1951) kann man auch als einen ersten Anstoß zu einer ‚Phänomenologie der Architektur‘ verstehen, in dem bereits grundlegende Themata, wie ewa ‚Raum‘ oder ,Wohnen‘ festgelegt sind und erste Gedanken zum System, zur Struktur und zum Inhalt dieser philosophischen Disziplin formuliert wurden. | |||
Im Anschluß an Heideggers Vortrag hat dann 1963 Otto Bollnow einen phänomenologischen Ansatz in Bezug zur Architektur in seinem Buch 'Mensch und Raum' umzusetzen versucht und dabei über unterschiedliche Raumverständnisse und über die Räumlichkeit des menschlichen Lebens geschrieben, um letztlich 'Forderungen für das wahre Wohnen' aufzustellen und den Gegensatz von weiter Welt und Geborgenheit des Heims aufzuheben. Es geht Bollnow um eine phänomenologische Philosophie des Wohnens; er analysiert dabei auch einzelne architektonische Elemente in ihren essentiellen Bestimmungen (etwa den semipermeablen Charakter von Türen; Bollnow 1963, S. 154). Für den konkreten architektonischen Entwurf von Architektur und einzelner Teile gibt das Buch allerdings nicht viel her. | |||
Während Heideggers Vortrag nicht leicht zu rezipieren war, hat Bollnows populärer geschriebenes Buch ein großes Publikum und nicht nur im deutschsprachigen Raum großen Einfluß auf das Nachdenken über Architektur gehabt. Ähnliche ‚phänomenologische‘ Ansätze ausländischer Autoren (Gaston Bachelard 1957; Rasmusson 1959) wurden ins Deutsche übersetzt, weitere phänomenologisch verstandene Publikationen erschienen (etwa Badt 1963). | |||
Die Thesen und Verständnisweisen dieser Autoren wurden weitgehend zur Ausstattung der Kritik am Funktionalismus und am klassischen Wissenschaftsverständnis genutzt; als Entwurfsphilosophie, d. h. als Gebrauchsanweisung für das Herstellen von guter Architektur eigneten sie sich wenig. | |||
Hier stieß Christian Norberg-Schulz mit seinem Buch über den architektonischen Raum (1971) und vor allem über den ‚genius loci‘, (1976 geschrieben, 1979 in Italien und den USA veröffentlicht und 1982 in einer deutschen Fassung herausgegeben) auf eine große Nachfrage. | |||
Er beabsichtigte in diesen Schriften, die Möglichkeiten einer 'Konkretisierung des existentiellen Raums in der Architektur' (1976, S. 5) aufzuzeigen und versteht sich dabei im Gegensatz zu philosophischen Abhandlungen zum gleichen Thema als Architekturtheoretiker. | |||
Norberg-Schulz versteht sich als Schüler Heideggers, dessen Gedanken zum architektonischen Raum er explizieren, anwenden und umsetzen will. Zugleich beansprucht Norberg-Schulz, eine Phänomenologie der Architektur zu entwickeln. | |||
Ich möchte nun diesen Ansatz vorstellen (und beziehe mich dabei im wesentlichen auf die Äußerungen Norberg-Schulz zum ‚genius loci‘) und den Anspruch einer ‚Phänomenologie‘ untersuchen. | |||
Aktuelle Version vom 22. November 2025, 11:21 Uhr
Rezension von Eduard Führ gedruckt Zeitschrift Wolkenkuckucksheim, Heft 2, Jahrgang 3, Juni 1998 (https://www.cloud-cuckoo.net/openarchive/wolke/deu/Themen/982/Fuehr/fuehr_t.html)
Heideggers Vortrag ‚Bauen Wohnen Denken‘ (1951) kann man auch als einen ersten Anstoß zu einer ‚Phänomenologie der Architektur‘ verstehen, in dem bereits grundlegende Themata, wie ewa ‚Raum‘ oder ,Wohnen‘ festgelegt sind und erste Gedanken zum System, zur Struktur und zum Inhalt dieser philosophischen Disziplin formuliert wurden. Im Anschluß an Heideggers Vortrag hat dann 1963 Otto Bollnow einen phänomenologischen Ansatz in Bezug zur Architektur in seinem Buch 'Mensch und Raum' umzusetzen versucht und dabei über unterschiedliche Raumverständnisse und über die Räumlichkeit des menschlichen Lebens geschrieben, um letztlich 'Forderungen für das wahre Wohnen' aufzustellen und den Gegensatz von weiter Welt und Geborgenheit des Heims aufzuheben. Es geht Bollnow um eine phänomenologische Philosophie des Wohnens; er analysiert dabei auch einzelne architektonische Elemente in ihren essentiellen Bestimmungen (etwa den semipermeablen Charakter von Türen; Bollnow 1963, S. 154). Für den konkreten architektonischen Entwurf von Architektur und einzelner Teile gibt das Buch allerdings nicht viel her. Während Heideggers Vortrag nicht leicht zu rezipieren war, hat Bollnows populärer geschriebenes Buch ein großes Publikum und nicht nur im deutschsprachigen Raum großen Einfluß auf das Nachdenken über Architektur gehabt. Ähnliche ‚phänomenologische‘ Ansätze ausländischer Autoren (Gaston Bachelard 1957; Rasmusson 1959) wurden ins Deutsche übersetzt, weitere phänomenologisch verstandene Publikationen erschienen (etwa Badt 1963). Die Thesen und Verständnisweisen dieser Autoren wurden weitgehend zur Ausstattung der Kritik am Funktionalismus und am klassischen Wissenschaftsverständnis genutzt; als Entwurfsphilosophie, d. h. als Gebrauchsanweisung für das Herstellen von guter Architektur eigneten sie sich wenig.
Hier stieß Christian Norberg-Schulz mit seinem Buch über den architektonischen Raum (1971) und vor allem über den ‚genius loci‘, (1976 geschrieben, 1979 in Italien und den USA veröffentlicht und 1982 in einer deutschen Fassung herausgegeben) auf eine große Nachfrage. Er beabsichtigte in diesen Schriften, die Möglichkeiten einer 'Konkretisierung des existentiellen Raums in der Architektur' (1976, S. 5) aufzuzeigen und versteht sich dabei im Gegensatz zu philosophischen Abhandlungen zum gleichen Thema als Architekturtheoretiker. Norberg-Schulz versteht sich als Schüler Heideggers, dessen Gedanken zum architektonischen Raum er explizieren, anwenden und umsetzen will. Zugleich beansprucht Norberg-Schulz, eine Phänomenologie der Architektur zu entwickeln. Ich möchte nun diesen Ansatz vorstellen (und beziehe mich dabei im wesentlichen auf die Äußerungen Norberg-Schulz zum ‚genius loci‘) und den Anspruch einer ‚Phänomenologie‘ untersuchen.